In den zurückliegenden Jahren hatte er sich etwas aus dem öffentlichen Leben zurückgezogen. Sein Interesse für Wirtschaft, Kultur und Sport blieb hingegen unverändert groß. Ignaz Walter wusste genau, was sich in der Welt abspielte, und er hatte noch viele Pläne.
Am 27.10.2023 ist der Unternehmer aus Augsburg im Alter von 87 Jahren plötzlich verstorben. Walter gehört zu den großen Unternehmerpersönlichkeiten in der deutschen Nachkriegsgeschichte. Die von ihm aufgebaute und nach ihm benannte WALTER BAU AG war in Spitzenzeiten der zweitgrößte Baukonzern der Bundesrepublik und beschäftigte weltweit rund 50.000 Mitarbeiter.
Beruflicher Werdegang
Walter stammte aus einfachen bürgerlichen Verhältnissen. Er musste seine Berufslaufbahn mit einer Lehre als Maurer beginnen, um sein späteres Studium zu finanzieren. Von 1951 bis 1954 holte er die Hochschulreife nach und studierte danach bis 1958 Bauingenieurwesen und Architektur. Ab 1958 arbeitete er zunächst als Angestellter und gründete 1962 ein Architektur- und Ingenieurbüro. Da in der Bauausführung mehr Geld zu verdienen war, gründete er 1963 seine erste Baufirma, die er in kürzester Zeit zum zweitgrößten Bauunternehmen in Augsburg nach der Thosti AG entwickelte. Die Baukrise vorausahnend, verkaufte er 1973 die Universalbau Walter GmbH, um dann 1978 die Mehrheit an der bundesweit arbeitenden Thosti AG zu erwerben. Nach deren Reorganisation und operativen Optimierung startete er seine Expansion mit Unternehmenszukäufen u.a. mit Boswau & Knauer, Heilit & Woerner sowie Ed. Züblin und Dywidag. Sein Ziel war der Aufbau eines global agierenden Bautechnologiekonzerns. In seiner Glanzzeit beschäftigte die WALTER BAU Gruppe 50.000 Mitarbeiter und war von Vancouver bis Sydney tätig. Zu den großen Projekten gehören die Sanierung des Olympiastadions in Berlin, der Wiederaufbau der Frauenkirche in Dresden, die ICE-Trasse Köln-Frankfurt, der Bau von U-Bahnen in Seattle, Delhi und Algier, zahlreiche Autobahnen, Großbrücken, Tunnels und Staudämme.
Er wollte nicht zu denen gehören, die nicht rechtzeitig loslassen können, und hat deswegen bereits 1996 seine Rolle als Vorstandsvorsitzender der Walter Bau AG abgegeben und ist in die Funktion des Aufsichtsratsvorsitzenden gewechselt.
Die Krise im Bausektor machte jedoch auch nicht Halt vor der WALTER BAU Gruppe. Im Jahr 2005 musste Insolvenz angemeldet werden. Die Rolle einiger Bankenakteure hierbei bleibt äußerst umstritten. Viele Beschäftigte verloren ihren Arbeitsplatz. Für Ignaz Walter bedeutete das einen herben Schlag, der ihm persönlich zusetzte.
Bereits im Jahr 1993 gründete Ignaz Walter die WALTER HOLDING zur Bündelung und Verwaltung der von der Familie Walter gehaltenen Aktien an der Unternehmensgruppe. Ab 1996 nahm die in WALTER Beteiligungen und Immobilien AG (WBI AG) umfirmierte Unternehmung sukzessive operative Geschäftstätigkeiten auf, und wurde zu einem zweiten Unternehmensstandbein für die Familie Walter. Den Aufbau und die Entwicklung der WBI AG mit den drei Segmenten Bestandsimmobilien, Projektentwicklungen und Unternehmensbeteiligungen begleitetet er aktiv aus dem Aufsichtsrat und inspirierte seine im Vorstand aktiven Söhne Dr. Ralf Walter und Dr. Roy Walter mit seinen Ideen und weitsichtigen strategischen Überlegungen. Er nahm bis zu seinem Tode interessiert an der Entwicklung des Unternehmens teil. Er war stolz, ein zweites Mal etwas aufgebaut zu haben.
Buchautor und Kunstsammler
In seiner unternehmerischen Schaffenspause zwischen 1973 und 1978 verfasste Ignaz Walter zahlreiche Fachbücher zum Bauen mit Betonfertigteilen und ein populärwissenschaftliches Mathematik- Nachhilfebuch „Mathematik für Alle – leicht gemacht“, das zum Bestseller wurde. Viele Werke folgten über die Jahre; herauszuheben sind seine 3-bändige Autobiografie „VON UNTEN – NACH OBEN – OBEN“ und das Letztwerk „WOHER WOHIN aber mit SINN“.
Eine große Leidenschaft war die bildende Kunst. Er hat sich über vier Jahrzehnte einen bundesweit anerkannten Namen als Kunstsammler aufgebaut. Seine bedeutende Kunstsammlung präsentiert er der Öffentlichkeit im privaten Kunstmuseum Walter, das im familieneigenen historischen Glaspalast in Augsburg beheimatet ist.
Wissenschaft und Ehrenamt
Für seine herausragenden Entwicklungen und wissenschaftlichen Leistungen wurde ihm 1982 die Ehrendoktorwürde verliehen. 1998 wurde er wegen seiner Hochschullehrertätigkeit an der Hochschule Biberach zum Honorarprofessor ernannt. Zwischen 1997 und 2005 nahm er das Amt des Präsidenten des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie wahr sowie das Amt des Vizepräsidenten des BDI Bund der Deutschen Industrie. Für seine Dienste am Gemeinwohl wurden ihm zahlreiche Auszeichnungen und Ehrungen zuteil, u.a. das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse der Bundesrepublik Deutschland, sowie der Bayerische Verdienstorden.
Charakter
Geprägt durch seine entbehrungsreiche Jugend war er überaus ehrgeizig. „Das Wort ich will ist mächtig, sprichts einer ernst und still, die Sterne reists vom Himmel, das kleine Wort ich will!“ war eines seiner häufig zitierten Lebensweisheiten. Seine dynamische unternehmerische Veranlagung gepaart mit seinem strategischen, analytischen Denken und Handeln konnten Mauern einreißen. Er verstand es auf der einen Seite seine Mitarbeiter und Geschäftspartner zu begeistern und zu motivieren, auf der anderen Seite hatte er hohe Ansprüche an sein Umfeld, die nicht alle erfüllen konnten. Dabei hat er von niemandem mehr abverlangt als von sich selbst. Seine Türe stand für Mitarbeiter und gute Ideen immer offen. Wer ihn in den letzten 10 Jahren erleben durfte, konnte einer beeindruckenden, humorvollen Persönlichkeit begegnen, mit weitem intellektuellem Horizont, viel Lebenserfahrung und mit „zunehmender Altersmilde“.
Familienmensch
Ignaz Walter wurde als Kleinkind 1942 durch den Bombenangriff auf Augsburg in ländliche Verhältnisse verschlagen; ein für ihn prägender Vorgang. Als ältestes von sechs Kindern lernte er früh Verantwortung zu übernehmen und zu organisieren. Sein ausgeprägter Familiensinn wurde ihm durch sein Elternhaus, das er sehr liebte, vermittelt. Zeit seines Lebens stand die Familie für ihn an oberster Stelle. Mit seiner Ehefrau Sonja ist er seit 1960 bis heute glücklich verheiratet; aus der Ehe gingen die beiden Söhne Ralf (61 J.) und Roy (57 J.), sowie die Tochter Nicole (52 J.) hervor. Ignaz Walter liebte es, seine Familie um sich zu haben, und insbesondere seine sechs Enkelinnen und Enkel.
Seine Familie und sein Glaube seien „die große Stütze in den schwierigen Jahren seines Lebens“ gewesen, so Walter.
Ignaz Walter blieb stets seiner Heimatstadt Augsburg eng verbunden. Die Investitionen der WBI AG (Walter Technology Campus Augsburg, Walter Innovationsbogen, Virchow Viertel in Stadtbergen) in den letzten Jahren belegen dies eindrucksvoll.
Er hinterlässt eine immense Lücke und wird uns sehr fehlen. Der Erhalt und die Fortentwicklung seines Lebenswerks ist uns Verpflichtung.
Familie WALTER
Sonja Walter, Dr. Ralf Walter, Dr. Roy Walter, Nicole Walter-Höret